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Eine Nachbetrachtung der Veranstaltung „Von Kriegsbegeisterten und Schlafwandlern - Die Deutungsschlacht um den Ersten Weltkrieg“

Mit einem derart großen Interesse hatten die Veranstalter des "Historischen Quartetts", SR 2 Kulturradio, der Historischer Verein für die Saargegend e.V., die Landeshauptstadt Saarbrücken Stadtarchiv, die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz Saarlandmuseum und die Landeszentrale für politische Bildung zum Thema "Die Deutungsschlacht um den Ersten Weltkrieg" am Dienstagabend, den 24. September 2014, nicht gerechnet: Nachdem immer mehr Stühle in den Saal in der Modernen Galerie im Saarlandmuseum gebracht werden mussten, schlug Prof. Dr. Gerd Krumeich, ehemaliger Lehrstuhlinhaber für Neuere Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und einer der führenden Experten zum Ersten Weltkrieg, mit einem Augenzwinkern vor, dass die Gäste doch alle stehen könnten, damit auch das Publikum ab der fünften Reihe die Podiumsgäste sehe.   

Eröffnet wurde die Diskussion mit dem an der Berliner Humboldt-Universität lehrenden Politikwissenschaftler Prof. Dr. Herfried Münkler und der früheren Bundesjustizministerin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin (Tübingen) zum Thema der Bewertung der Kriegsschuld hundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs schließlich vor sitzendem Publikum. Thomas Bimesdörfer von SR2 Kulturradio moderierte die Debatte der Experten.  

Prof. Dr. Gerd Krumeich beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkriegs. Prof. Dr. Herfried Münkler hatte sich zuletzt in seinem Buch „Der Große Krieg“ gegen das Kriterium der Schuld als wissenschaftliche Kategorie ausgesprochen. Die frühere Justizministerin in der Bundesregierung von Gerhard Schröder musste wegen einer Äußerung zur militärischen Bewertung des Irak-Krieges ihr Amt aufgeben. Sie hat sich nicht erst seitdem vielfach mit Fragen um Moral und Verantwortung beschäftigt.  

Die Auswahl der Podiumsgäste hielt, was sie zu versprechen schien: Kontrovers wurde über die Schuldfrage diskutiert. Professor Münkler vertrat den Standpunkt, dass, schaue man sich nur die komplexen Ereignisse des Krieges an, alle europäischen Großmächte die Verantwortung trügen.  

Dem widersprach Professor Krumeich mit der Argumentation, dass gerade in der Juli-Krise und deren Eskalation erst eine österreichische und dann eine deutsche Hauptverantwortlichkeit lägen. Professor Herta Däubler-Gmelin erläuterte, die Missachtung des Völkerrechts zu Beginn des Ersten Weltkrieges, indem das Militär die Aufgaben der Politik übernommen habe, wiederhole sich aktuell bei den Luftangriffen der USA gegen die IS. Die amerikanische Luftwaffe überfliege Syrien, ohne dass die US-Regierung vorab die Erlaubnis diesbezüglich vom syrischen Staat eingeholt hätte. Einig waren sich alle drei Podiumsgäste darin, dass jede Nation im Grunde nur mit einer Kriegsdauer von drei Monaten gerechnet hätte und alle ebenso glaubten, dass dieser Krieg militärisch beherrschbar sei. 

Die anschließende Fragerunde des Publikums wurde rege genutzt, die Diskussion hatte zum Mit- und Nachdenken angeregt. Das Publikum war derart interessiert, dass Moderator Thomas Bimesdörfer die Fragerunde letztlich trotz weiterer Handzeichen abschließen musste - die Zeit fehlte einfach.

 

 

Text Ankündigung der Veranstaltung

Von Kriegsbegeisterten und Schlafwandlern – Die Deutungsschlacht um den Ersten Weltkrieg“

Das Historische Quartett am 23. September im Saarlandmuseum, Moderne Galerie mit den Professoren Münkler, Krumeich und Däubler-Gmelin  

In der letzten Woche der Laufzeit der Ausstellung Euphorie und Untergang – Künstlerschicksale im Ersten Weltkrieg  ist die Moderne Galerie des Saarlandmuseums am Dienstag, 23. September 2014, 20 Uhr, Veranstaltungsort einer prominent besetzten Diskussionsrunde. Einleitend wird um 19.15 Uhr eine Kurzführung durch die Ausstellung angeboten. 

Einmal mehr haben die Veranstalter des „Historischen Quartetts“ bundesweit bekannte Wissenschaftler für ein intellektuelles Stelldichein gewonnen. Hundert Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und 50 Jahre nach dem ersten Historikerstreit um Fritz Fischers Thesen von der „Alleinschuld Deutschlands“ am Ausbruch des 1. Weltkrieges darf man darauf gespannt sein, wie zum Beispiel die weithin bekannt gewordenen Thesen des in Cambridge lehrenden Historikers Christopher Clarks, wonach die damals das Weltgeschehen gestaltenden Politiker gleich „Schlafwandlern“ in den Krieg geschlittert seien, von zwei weiteren Großmeistern der historischen Zunft bewertet werden. Der an der Berliner Humboldt-Universität lehrende Politikwissenschaftler Herfried Münkler hatte sich zuletzt in seinem Buch „Der Große Krieg“ gegen das Kriterium der Schuld als wissenschaftliche Kategorie ausgesprochen. Der an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf lehrende Historiker Gerd Krumeich gilt als einer der aktenkundigsten Kenner in Sachen Erster Weltkrieg überhaupt. Von besonderem Gewicht dürften auch die Einlassungen von Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin (Tübingen) zu dem Thema sein. Die frühere Justizministerin in der Bundesregierung von Gerhard Schröder musste wegen einer Äußerung zur militärischen Bewertung des Irak-Krieges ihr Amt aufgeben, und hat sich nicht erst seitdem vielfach mit Fragen um Moral und Verantwortung beschäftigt – ebenfalls eine gute Grundlage für die Diskussion über Verantwortung angesichts von über 17 Millionen Kriegstoten.  Moderiert wird die Podiumsdiskussion von Thomas Bimesdörfer von SR2 Kulturradio. Auf dieser Hörfunkwelle (91.3 Mhz) wird auch eine Aufzeichnung des Podiums im Rahmen des Sendeplatzes „Diskurs“ am Freitag, 03.10.2014 um 19.15 Uhr zeitversetzt gesendet werden.  

Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei! 

Das Historische Quartett ist eine Kooperation der Landeszentrale für politische Bildung des Saarlandes, des Historischen Vereins für die Saargegend, des Stadtarchivs Saarbrücken und SR2 KulturRadio.